Was ist der Hämatokritwert?
Hämatokrit (HCT) ist ein wichtiger Bestandteil unseres Blutes und gibt den prozentuellen Anteil zellulärer Bestandteile in Relation zum Gesamtblutvolumen und damit auch die Fließfähigkeit des Blutes an. Da Erythrozyten mit über 95 % den größten Anteil unserer Blutzellen aufweisen, wird der Hämatokrit oft mit der Anzahl der roten Blutkörperchen im Gesamtblut gleichgestellt.
Da der Hämatokritwert auch Hinweise dafür liefern kann, ob eine Anämie (Blutarmut) vorliegt, stellt er eine alternative Messgröße zum Hämoglobin (Hb) dar. Der HCT-Wert stellt weiters einen wichtigen Indikator für den Flüssigkeitshaushalt dar - wenn der Flüssigkeitsanteil im Blut sinkt, steigt im Verhältnis der Hämatokrit an. Dadurch ist das Blut nicht mehr so fließfähig, wie es sein sollte – das Risiko einen Insult oder Thromboembolien zu erleiden steigt.
Wie wird Hämatokrit bestimmt?
Die Bestimmung von Hämatokriten erfolgt im Rahmen einer venösen Blutabnahme. Damit das Blut im Probenröhrchen nicht gerinnt und somit für eine Laboruntersuchung unbrauchbar wird, erfolgt die Zugabe von EDTA bzw. Heparin. Im Labor werden die Blutproben zentrifugiert. Da die roten Blutkörperchen schwerer sind als das Blutplasma, setzen sich die Erythrozyten am Boden des Röhrchens ab. Mit Hilfe einer Erythrozytenmesssäule wird das Verhältnis zur gesamten Säule gemessen. Die Grenzen der verschiedenen Blutbestandteile sind dabei sogar mit bloßem Auge erkennbar – die schweren roten Blutkörperchen sind dunkelrot gefärbt, während das Blutplasma eine dunkelgelbe, orangestichige Färbung aufweist.
Normalwerte
Die Hämatokrit-Normalwerte sind je Geschlecht unterschiedlich. Sie liegen bei Männern zwischen 42 und 50 % und bei Frauen zwischen 37 und 45 %.
Gründe für erhöhte Werte
Prinzipiell liegen einem erhöhten Hämatokrit-Wert immer zwei Ursachen zugrunde - entweder ein hoher Anteil an roten Blutkörperchen oder ein Mangel an Flüssigkeit. Stellen erhöhte Erythrozytenwerte die Ursache dar, wird dies allgemein als Polyglobulie bezeichnet. Bei einer primären Polyglobulie (Polyzythämie) kommt es zur unkontrollierten Vermehrung der Blutstammzellen im Knochenmark und folglich zu einem erhöhten Wert an Erythrozyten. Die primäre Polyglobulie, die zu den myeloproliferativen Erkrankungen zählt, betrifft in der Regel ältere Menschen.
Im Rahmen einer Erythrozytose (sekundäre Polyglobulie) liegt eine Erythrozytenüberproduktion aufgrund eines Sauerstoffmangels vor. Der Körper versucht dabei, durch vermehrte Ausschüttung des Hormons Erythropoetin den Sauerstoffmangel mittels erhöhter Blutproduktion auszugleichen. Erythropoetin regt das Knochenmark an, neue Erythrozyten zu produzieren, dadurch kommt es in weiterer Folge zur Überproduktion. Im Falle einer sekundären Polyglobulie gilt es, zuerst die Ursache des Sauerstoffmangels ausfindig zu machen.
Treten erhöhte HCT-Werte im Rahmen eines Flüssigkeitsmangels auf, spricht man hierbei von einer Pseudopolyglobulie. Durch exogene Faktoren (zum Beispiel Austrocknung, Verbrennungen) kommt es zur Verschiebung des Hämatokrits, da der Körper in vermeintlichen Notsituationen Flüssigkeit aus dem Blutplasma in lebenswichtige Organe abgibt. Dadurch kommt es zu einem Missverhältnis von Blutzellen und Blutplasma, das Blut wird fließunfähiger und neigt zum Verklumpen – das Thromboserisiko steigt.
Gründe für niedrige Werte
Ein akut erniedrigter Hämatokritwert findet sich bei einer Überwässerung des Patienten. Dabei gilt die Regel je niedriger der Hämatokrit, umso fließfähiger („dünner“) ist das Blut. Erklärbar ist dies dadurch, dass im Verhältnis zum Plasma nur wenige Erythrozyten enthalten sind. Dazu kann es kommen, wenn durch eine Verletzung ein größerer Blutverlust entsteht und in der Notfallsituation versucht wird, diesen durch Verabreichung zellfreier Flüssigkeiten auszugleichen
Anmerkung: Die Behandlung mit Kochsalzinfusionen zum Volumenausgleich und zur Stabilisierung der Hämodynamik ist in Akutsituationen oft die first line-Therapie, da Blutkonserven nur bei Bekanntheit der Blutgruppe und nach entsprechender Konservenvorbereitung und Patientenaufklärung verabreicht werden dürfen und der Patient hierbei oft entscheidende Therapiezeit verlieren würde.
Ein chronisch niedriger Hämatokritwert kann auf verminderte Bildung von roten Blutkörperchen hinweisen oder auf eine Anämie (Blutarmut) zurückzuführen sein. Ein erniedrigter HCT-Wert kann auch ein versteckter Hinweis auf einen Diabetes mellitus („Zuckerkrankheit“) sein – die Überzuckerung des Körpers verursacht ein verstärktes Durstgefühl, der Patient trinkt in Folge mehr. Da es bei Diabetikern teilweise zu einem exzessiven Trinkverhalten kommt, ist eine Überwässerung des Körpers nicht ungewöhnlich.
Symptome der Polyglobulie
Die verminderte Fließfähigkeit des Blutes geht einher mit einer zunehmenden Belastung des Herzens, bedingt durch das erschwerte Pumpen. Dies erklärt, warum die Beschwerdesymptomatik oft eher charakteristisch für das Vorliegen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist. Besonders oft tritt bei bereits nur geringer körperlicher Belastung Atemnot auf. Patienten, die an einer Polyglobulie leiden, klagen auch vermehrt über Angina pectoris-Symptomatik („Herzkrämpfe“). Die verminderte Durchblutungssituation schlägt sich auch auf das zentrale Nervensystem nieder – Konzentrationsschwierigkeiten und Kopfschmerzen können eine Polyglobulie zur Ursache haben.
Behandlung der Polyglobulie
Für die Ersttherapie der akuten Polyglobulie findet sich ein altertümliches Heilverfahren wieder – der Aderlass. Die Menge des entnommenen Blutes wird durch intravenöse Flüssigkeitsgabe ausgeglichen, eine Art Verdünnungseffekt reguliert das gestörte Verhältnis von Plasma und Blutzellen wieder. Der Aderlass ist eine schnelle und effektive Möglichkeit, den Hämatokritwert in kurzer Zeit zu senken und die Fließfähigkeit des Blutes wieder zu bessern. Nach Behebung der akuten Polyglobulie steht die Ursachenforschung im Vordergrund.
Sekundäre Polyglobulie
Bei Vorliegen einer sekundären Polyglobulie muss die zugrunde liegende Erkrankung behandelt werden – dies kann eine chronische Lungenerkrankung oder auch eine Herzschwäche sein. Bei weit fortgeschrittener Grunderkrankung, oder wenn trotz Ausschöpfung aller konservativen und interventionellen Therapiemaßnahmen keine ausreichende Besserung der Laborwerte erreicht werden kann, besteht als rein symptomatische Behandlungsoption der chronische Aderlass. Die Patienten kommen hierbei in regelmäßigen Abständen zur Blutspende. Pro Sitzung kann hier je nach Schwere der Polyglobulie mit bis zu 500 ml Entzug gerechnet werden. Der Blutverlust wird nach erfolgtem Aderlass durch entsprechende intravenöse Flüssigkeitsgabe ausgeglichen. Bei dieser Form der Behandlung sind regelmäßige laborchemische Kontrollen (speziell großes und kleines Blutbild) unerlässlich, da das Intervall der Aderlasstherapie je nach Entwicklung der Laborwerte adaptiert wird.
Für fachkundige Informationen sollten Sie sich unbedingt direkt an einen Arzt wenden! Alle Angaben und Informationen sind ohne Gewähr.
Autor: Daniel Herndler
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